08/2022

Baum des Jahres 2022 - Die Rotbuche

Schon einmal, 1990, wurde die Rotbuche (Fagus sylvatica L.) in Deutschland zum „Baum des Jahres“ auserkoren. Außerdem wurde sie 2014 als solcher in Österreich ausgerufen.
Der Klimawandel, der sich in unseren Breiten mit zunehmender Trockenheit, z. T. extremer Hitze in den Sommermonaten und allgemein höheren Temperaturen im Jahreslauf bemerkbar macht, hat für die Rotbuche, deren Hauptvorkommen in Mitteleuropa liegt, dramatische Folgen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Rotbuche dieses Jahr erneut zum Baum des Jahres gewählt wurde, um sie und ihren Lebensraum erneut in den Fokus des Naturschutzinteresses zu stellen.

Lebensbereiche sowie ökologisches und physiologisches Verhalten der Rotbuche

Bei den in Mitteleuropa vorherrschenden Klima- und Bodenverhältnissen wären – ohne den Eingriff des Menschen – 90 % der Fläche Mitteleuropas von Wald bedeckt (Hofmann et al. 2000). Dabei wären die Rotbuche und die Stiel-Eiche (Quercus robur L.) in vielen Gebieten die dominierenden Laubbäume. Aufgrund ihrer hohen Konkurrenzkraft gegenüber anderen Baumarten ist die Rotbuche allen übrigen in Mitteleuropa heimischen Gehölzen auf stark sauren bis kalkreichen / basischen und mäßig feuchten bis mäßig trockenen Böden überlegen.

Fagus sylvatica ist in der Lage ein dichtes Kronendach auszubilden, so dass sich ihre schattentoleranten Sämlinge und Jungpflanzen dort gut entwickeln können. Licht- oder Halbschattenbaumarten, wie z. B. Eichen, Lärchen oder Kiefern, reichen diese minimalen Beleuchtungsstärken zum Wachsen und Gedeihen allerdings nicht aus und werden so auskonkurriert. Zudem ist die Rotbuche mit ihrem Höhenwuchs anderen Arten gegenüber klar überlegen. Ihr tief reichendes System feiner, dichter Wurzeln verschafft ihr selbst auf nährstoffarmen Standorten eine – im Vergleich zu anderen Baumarten – ausreichende und effiziente Versorgung mit Wasser und den darin gelösten Nährsalzen. So konkurrenzstark die Rotbuche hinsichtlich Beschattung, Lebensdauer, Höhenwuchs und Nährstoffversorgung auch ist, so empfindlich reagiert sie jedoch auf Kälte, Spätfröste, Trockenheit und (wechselnde) Wasserverfügbarkeit. So setzen sich bei Trockenheit und Nässe mehr und mehr Eichen-Arten (→ Eichen-Mischwälder) und (Wald-)Kiefern durch. Bei Spätfrösten ist die Berg-Ulme (Ulmus glabra Huds.) im Vergleich zur Rotbuche deutlich resistenter. Die Tanne (Abies alba Mill.), als ähnlich schattentoleranter Baum, kann sich gegenüber der Rotbuche in den Höhenlagen durchsetzten, in denen die Vegetationsperiode weniger als 5 Monate beträgt. Auch Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.), verschiedene Ahorn-Arten wie z. B. der Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus L.), aber auch Linden können sich – je nach standörtlichen Bodenverhältnissen und Nährstoffverfügbarkeiten – neben der Rotbuche behaupten und damit im Bestand vereinzelt vorkommen. Betrachtet man nun zusammenfassend das ökologische Spektrum und die damit einhergehende natürliche Verbreitung der Rotbuche, so wird verständlich, warum ihr die Hitze und Trockenheit der letzten Jahre so sehr zusetzten und auch weiterhin werden.

sonnenbrands

Dies kann man z. B. im Potsdamer Park Sanssouci eindrucksvoll sehen. In den letzten Jahren sind viele der dort vorkommenden Buchen-Altbäume umgestürzt oder mussten gefällt werden. Bei einigen Exemplaren kann man deutlich den sogenannten „Sonnenbrand“ erkennen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Die Rotbuche ist nicht die Buche mit den weinroten bis schwarz-roten Blättern, die in Parkanlagen oft zu sehen ist. Es handelt sich dabei um die sogenannte Blutbuche, eine kultivierte Varietät der Rotbuche (Fagus sylvatica L.).

Verbreitung der Rotbuche
Wo finden wir noch Buchenwälder in Deutschland?

Von verschiedenen Fagus-Arten geprägte Buchenwälder treten in den gemäßigten Teilen Amerikas, Ostasiens und Europas auf (Meusel et al. 1965). Wie bereits erwähnt, sind diese in Europa von der Rotbuche geprägt. Sie erstrecken sich in Nord-Süd-Richtung zwischen dem Süden Schwedens (55. Breitengrad im Norden = hemiboreale Zone) und den Gebirgen des nördlichen Mittelmeerraumes sowie in Ost-West-Richtung von der Atlantikküste Nordspaniens bis nach Ostpolen und in die Ukraine. Mitteleuropa liegt somit im Kernbereich des Rotbuchen-Areals.

In Deutschland liegen ausgedehnte natürliche Buchenwälder im südniedersächsischen und nordhessischen Bergland vor, weiterhin in der Eifel, im Pfälzer Wald und im Saarland. Im Südwesten Deutschlands, genauer in der Schwäbische Alb, im westlichen Bodenseegebiet und im Südwest-Schwarzwald ist die Rotbuche verbreitet, ebenso im Bereich der küstennahen baltischen Jungmoräne. Brandenburg mit seinem v. a. im Südteil stärker kontinental geprägten Klima ist zumindest dort weitgehend buchenfrei und durch die eher subkontinental verbreiteten Kiefer-Eichen-Bestände geprägt. Der Nordteil des Bundeslandes, inklusive Teilen Mittelbrandenburgs, sowie des Flämings gehören nach Heinken (2007) jedoch zum Areal der potentiell natürlichen Buchen- und Buchenmischwälder in Deutschland. Die z. T. in den letzten 20 Jahren zu beobachtende Naturverjüngung durch Rotbuchen in Mittelbrandenburg verdeutlicht dies eindrucksvoll.

Ohne näher auf die pflanzensoziologische Klassifizierung einzugehen, soll an dieser Stelle nur kurz erwähnt sein, dass aufgrund der weiten Verbreitung der Buchenwälder mit den vielfältigen klimatischen Bedingungen (Höhenstufen, Temperatur, Niederschläge) und den unterschiedlichen edaphischen Verhältnissen, eine große Variabilität in der Artenzusammensetzung dieser Wälder einhergeht. Alle Typen werden in der Klasse der sommergrünen Buchen- und Eichen-Wälder Europas (Querco-Fagetea) zusammengefasst. In entsprechender Literatur, z. B. Ellenberg & Leuschner (2010), kann man sich dazu weiter vertiefen.

Was ist noch interessant ?

  • Bitte nicht verwechseln mit der Hainbuche (Carpinus betulus L.) aus der Familie der Birkengewächse (Betulaceae, früher Haselgewächse – Corylaceae), denn die Rotbuche gehört zur Familie der Buchengewächsen (Fagaceae). Am deutlichsten wird der Unterschied, wenn man die Blüten und die sich daraus entwickelnden Früchte vergleicht.

  • Die Krautschicht in den Buchenwäldern zeigt deutliche Anpassungen an die geringen Lichtverhältnisse im Sommerhalbjahr: Geophyten-Frühblüher, wie z. B. das Busch-Windröschen (Anemone nemorosa L.), treiben schnell aus, wachsen, blühen und fruchten rasch und sind dann mit allem Lebensnotwendigem fertig, bevor sich das Blätterdach der Rotbuchen schließt.

  • Es wird angenommen, dass Johannes Gutenberg (*1397 in Mainz – † 1468 in Mainz) für seine ersten Versuche in der Buchdruckerkunst die Originalletter aus Buchenholz schnitzte.

  • In der Holzindustrie ist das Buchenholz beliebt für Möbel, Parkettböden, Eisenbahnschwellen, für Sperrholzherstellung und allgemein als Bauholz.

  • Nach dem Keltischen Baumkreis schreibt man den Menschen, die am Wendepunkt des Sonnenjahres, am 22. Dezember, geboren sind bzw. werden, ähnliche Eigenschaften zu, wie sie die Rotbuche in ihrem Leben zeigt: geduldig wartend, lange im Hintergrund „Großer“ bleibend. Zum rechten Zeitpunkt treten sie aus dem Schatten dieser hervor und werden dann selbst eine bedeutende Persönlichkeit.

  • In Schweden und England legt man an Weihnachten einen großen, mächtigen (Buchenholz)Kloben ins Kaminfeuer („mythologischer Buchenscheit“). Die Asche wird dann segenbringend auf die Felder gestreut und soll im neuen Jahr fruchtbaren Boden und eine reiche Ernte bringen.

Schenken Sie diesen anmutigen Riesen also nicht nur in diesem Jahr Ihre Aufmerksamkeit! Es lohnt sich!

Quellen:

Ellenberg, H. & Leuschner, C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen.- 6. Aufl., Ulmer-Verlag Stuttgart.
Heinken, T. (2007): Vegetation und Standort bodensaurer Buchenwälder am Arealrand – am Beispiel Mittelbrandenburgs. – Hercynia N. F. 40: 193-211.
Hofmann, F., Kill, J., Meder, R., Plachter, H. & Volz, K. R. (2000): Waldnutzung in Deutschland. Bestandsaufnahme, Handlungsbedarf und Maßnahmen zur Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung. – Materialien zur Umweltforschung 35: 1-309.
Meusel, H., Jäger, E. & Weinert, E. (1965): Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora.- Band 1.- Fischer-Verlag Jena. 

GRÜNESKLEID · Franziska Hoehl · mobil: 0152 – 08 339 336 · info@grüneskleid.com